Es gibt Ikonen der Gestaltung. Chapeau an die Künstler, die es schon vor fast hundert Jahren geschafft haben Design zu machen, obwohl es den Begriff noch gar nicht gab. Zumindest nicht in dem inflationären Maße wie heute.
Der sogenannte Barcelona Chair von Mies van der Rohe feiert bald sein Hundertjähriges und ist nach wie vor modern. Auch mir gefällt er außerordentlich gut, zumal das verchromte Stahlgestell damals auch verfahrenstechnisch ein Novum war.
Irgendwann im Herbst kam die Eingebung. Couch - Holz - Barcelona Chair. Die Idee zur Barcelona Couch bzw. einem riesigen Barcelona Chair im Maßstab 2:1 mit Holzgestell und Matratzen als Polster war geboren. Die ersten Skizzen sind schnell erstellt, aber wie die Verspannung unter den Polstern, wie massiv damit es nicht auseinander bricht, wie das Ganze demontierbar gestalten, wie die Neigung und sieht es am Ende wirklich gut aus???
Bevor es ans Eingemachte geht, kann ich hier einen kleinen Vorgeschmack auf das Resultat geben:
Einfach mal anfangen der Rest ergibt sich im Prozess. Der Reiz ist riesig, da sowas wohl noch keiner gemacht hat. Und vom Materialeinsatz bleibt es vermutlich deutlich unter den Kosten des originalen Chairs.
Also runter mit dem Holz vom Lager und in die Werkstatt zum Aufschneiden.
Ganz so schnell geht's dann doch nicht, weil Kollege Wurm die letzten 20 Jahre sein Unwesen getrieben hat. Dazu die Tage mehr ...
... wahrscheinlich eine ganze Familie von Würmern. Nicht nur im Splint- sondern auch im Kernholz hatten sich die Kleinen von den Stirnseiten her bis zu 80 cm tief ins Holz gefressen. Viel Verschnitt also.
Ablagern ist gut, aber irgendwann sorgt die Natur dafür dass alles zu Erde wird. Nun zurück zur Couch: Das filigrane Erscheinungsbild soll erhalten bleiben. Dies beutetet im Umkehrschluss ziemlich hohe Krafteinwirkungen auf das Gestell. Der Querschnitt der Holme ist im Original nicht groß, dafür sind sie aus Stahl. Im Maßstab von 2:1 ergibt das eine Breite von 80 und eine Stärke von ca. 40 Millimetern.
Auf der Skizze sind noch die Originalmaße. Das Raster im Hintergrund verdeutlich 100 mal 100 mm.
Das ganz unten soll meinen zweijährigen Sohn zeigen.
Zwecks Stabilität ist eine Art Sperr-Leimholz geplant, das abwechselnd an den Stellen höchster Belastung tangentiale Faserrichtung aufweist. Folgendes Bild verdeutlich ein wenig die Ausrichtung des Holzes.
Jede Seitenwange besteht aus vier Schichten nebeneinander. Abwechselnd läuft die Faser mal parallel zum Knoten und mal parallel zu den Enden. Blau und gelb sind die Holzabschnitte, die ich für meine Leimholzplatten benötige. Immer 4 Wangenteile zusammen. Im Laufe des Bauens wird die Vorgehensweise deutlicher.
Entsprechend der Liste habe ich die gelagerten Hölzer auf Stärke gehobelt, sodass es als nächstes ans verleimen geht. Nach dem Abrichten siehts es dann auch gar nicht mehr nach so viel Material aus.
Das Verleimen ist äußerst langwierig. Bei solch meditativen Arbeiten, kann man gut den Features von Deutschlandfunk lauschen. Dann verbinden sich die Bilder im Kopf untrennbar mit dem Werkstück sowie auch die Eichenhölzer mit dem Leim.
Eine Woche Leimen liegt hinter mir. Der Leimtopf ist leer und ich habe wirklich keine Lust mehr. Jedes der fast 80 Hölzer will einzeln bündig verleimt werden. Das nächste Mal schneide ich mir die späteren Wangen aus einer großen Platte. Aber diesmal noch die nachhaltige Variante mit möglichst wenig Abfall. Hier noch ein Bild von der finalen Fügung.
Die Schraubzwingen zum bündig fügen sind dabei schon abgenommen. Aber auch die Anzahl der Leimvorrichtungen ist schon imposant. Aus diesem Holzteil wird mal die Lehne werden. Alle anderen Leimhölzer sind nachträglich abgerichtet worden und liegen zur weiteren Verarbeitung bereit.
Rechts ist gut der Sinn und Zweck des Aufwandes zu sehen: Bei den später ausgeschnittenen Rahmen verläuft die Maserung abwechselnd, sodass möglichst alle kritischen Punkte versteift sind. Letztendlich werden vier Rahmen übereinander liegen. Zwei mit Faserverlauf in die eine und zwei in die andere Richtung.
Mittels der aus A3 Blättern zusammengeklebten Schablone sind die Einzelteile angezeichnet worden. Eine stabilere Schablone wäre sinnvoller gewesen, denn so summiert sich die ein oder andere Ungenauigkeit, die der Bandschleifer später wieder ausgleichen muss. Zugeschnitten mit der Bandsäge liegen die einzelnen Bretter für die Verleimung bereit.
Zuvor müssen noch die Verbindungsstellen mittels Bandschleifer auf Maß gebracht werden. Bei den konvexen Biegungen ist das an der Bandschleifmaschine problemlos machbar. Bei den konkaven geht es mit etwas Kreativität und kleinem Bandschleifer auch.
Nun erfolgt die Verbindung der Elemente in vier Schichten. Wenn die Bretter am Knotenpunkt einen parallelen Faserverlauf haben, sind sie durchgängig und die Bretter mit schrägem Faserverlauf werden beigefügt. In der nächsten Ebene ist die andere Richtung durchgängig. Wichtig ist , dass am Anfang der Winkel stimmt.
Beim probeweisen aufstellen, habe ich gemerkt, dass sie doch ganz schon groß wird, die Barcelona Couch. Nebenbei bemerkt, biegen sich die Hölzer bei Belastung mehr als gedacht. Aber was sich biegt, bricht nicht, hat mein Vater gesagt. Also weitermachen!
Im nächsten Schritt werden die Ungleichmäßigkeiten, welche vom Anzeichnen und der Bandsäge herrühren, beseitigt. Mittels Hobel, Bandschleifer und Bandfeile rücke ich den Teilen zu Leibe. Mit den konvexen Seiten bin ich durch. Wie ich die konkaven Seiten ordentlich bearbeiten kann, muss ich noch schauen.
Die beiden Wangen werden beim Fügen zusammen gezwungen. So wird die Fläche ebener.
Parallel schaue ich, welches Gurtband ich für die Bespannung verwenden kann. Lederriemen wie beim Original werde ich nicht verwenden. Die Querstreben, welche in die Wangen eingesteckt werden und die Bespannung tragen, sind auch schon zugeschnitten.
Und tatsächlich, nach etwas Nachdenken ist mir eingefallen, wie ich die konkaven Biegungen geschliffen bekomme. Zum Einen habe ich ein Klötzchen unter den Bandschleifer geklemmt, sodass das Schleifband über einen Berg läuft, sprich die Vertiefung erreicht.
Das funktioniert sehr vernünftig. Zum Anderen musste für die grobe Zurichtung der Winkelschleifer ran. Auch das funktioniert mit etwas Gefühl gut. Der Winkelschleifer hat leider keine Absaugung. Damit geht der ganze Abtrag fein verteilt in den Äther der Werkststatt. Als Absaugung fungiert dann nur noch die menschliche Atmung - kurz gesagt eine ziemliche, wenngleich befriedigende Sauerei.
Mitterweile ist die Werkstatt wieder sauber. Falls ich jemals dazu kommen sollte sowas nochmal zu bauen, wird mittels Schablone, Anlaufring und Tischfräse gearbeitet.
Das nächste Kapitel heißt Verbindungen setzten. Da das Couch-Gestell bezogen auf seine Größe doch recht filigran ist, müssen ordentliche Verbindungen her. Nichts mit Lamello und Co., ich benötige was reversibles. Also nach Altvätersitte Zapfenverbindungen setzen. Hier könnte man jetzt Löcher stemmen, was mangels passender Stemmeisen schwierig wird. Dafür wollte ich mich schon länger mal mit folgendem Gerät auseinandersetzen.
Diese Kettenfräsmaschine älteren Datums, kann so einiges. Sobald man erst mal alle Freiheitsgrade ermittelt und sein zu stämmendes Bauteil fixiert hat, gehts echt flink und ein sauber geschlitztes Loch bleibt übrig. Ein tolles Gerät wenn auch etwas archaisch.
Die Positionierung der Zapfenlöcher will gut überlegt sein. Letztlich definieren sich hier schon Sitzwinkel, Überstände und Gesamterscheinung der Couch. Im Vergleich zum Original ist meine Strebe hinten-unten um 50 mm nach oben versetzt. Das sollte immer noch steil genug sein, um darin angenehm zu versinken.
Die Gegenseiten, also die Zapfen an den Querholmen habe ich mit der Kreissäge zugerichtet. Nach etwas Einstellarbeit und Nacharbeit an den Zapfenlöchern passt es dann perfekt. Fünf Teile - fertig ist die Couch.
Ganz so schnell gehts dann doch nicht. Vorher wollen noch alle Flächen geschliffen werden. 80, 120 , 180 und 240er Körnung das dauert ein paar Stunden. Die Querholme und die Enden sind mittels Oberfräse verrundet und alle Kanten nur leicht gebrochen, sodass die Optik der geschwungen Formen erhalten bleibt.
Die Messingschrauben zur Sicherung der Zapfenverbindung sind auch angekommen. Sehr ordentliche Dinger - das sollte halten.
Dann folgen sehr befriedigende Arbeitsschritte, denn es geht dem Ende zu. Also alles wieder zusammenbauen und mit langen Zwingen in Position halten. Anzeichen, Bohren und Zusammenschrauben. Das Bohren unterteilt sich in viele Schritte, da die Löcher in den Querholmen etwas näher zur Mitte hin sitzen um die Zapfen fest in das Loch zu ziehen.
Als nächstes folgt die Bespannung mit 80mm Gurtband in weiß. Leder wie beim Original wäre unbezahlbar. Mit einem vernünftigen Drucklufttacker geht das sehr zügig.
Und nun folgt DER Moment: Hält es oder geht es der Couch nach unzähligen Stunden der Arbeit wie diesem Baum in Todtmoos nach dem letzten Sturm?
Da die Matratzen noch nicht angekommen sind, musste die Gästematraze herhalten. Ganz vorsichtig habe ich mich auf mein Werk gewälzt und ...
... ES HÄLT!
Die Zapfenverbindungen knarzen ein wenig, aber sonst gibt sich das Konstrukt sehr flexibel. Ich bin zufrieden und gespannt wie es sich dann im vollendetem Zustand sitzen wird. Das Holz lasse ich unbehandelt, denn so gefällt mir Eiche am ehesten.
Mit den passenden Matratzen von 2 mal 1 Meter 20 ist die Couch jetzt zu benutzen. Sie hält, ist aber noch etwas weich - meint: die gespannten Gurte geben zu sehr nacht. Das liegt nicht an den Gurten selbst oder der Verspannung, sondern daran, dass die Querleisten sich mehr biegen als gedacht. Besonders die Strebe hinten unten erfährt viel Zug.
Also Bespannung noch mal ab und eine massivere Strebe einsetzen. Jetzt statt 25 mal 70 Millimeter in 40 mal 80 Millimeter Querschnitt. So gefällt mir die Weichheit und kommt der des Originals von Mies van der Rohe sehr nah.
Im nächsten und letzten Schritt fehlt noch ein passender Bezug. Hierfür habe ich einen Polsterstoff in hellgrün gefunden.
Die Zuschnitte für die Matratzenbezüge sind fertig, aber die Schneiderin lässt noch auf sich warten. Keder wie im Original sind nicht vorgesehen, aber zwölf Knöpfe, die mit Stoff bezogen werden, sollen für ein wenig Struktur auf den großen Flächen sorgen. Bändchen zum verzurren der Matratzen sind auch wichtig, sonst rutsch die untere ständig nach vorne weg.
Bis die Näherei abgeschlossen war, sind dann doch noch drei Wochen ins Land gegangen. Dafür hat es auf anhieb gepasst. Ein deutlicher Mehrwert in Sachen Optik wie ich finde.
Auch schon zu sehen: zwei Muster für die Knöpfe aus Holz, mit denen ich aber unzufrieden war. So sind sie dann doch nicht geworden. Tatsächlich viel flacher und auch wieder Eiche über Kreuz verleimt, damit nichts abbrechen kann. In Summe war es jede Menge Drechselarbeit und natürlich der Feinschliff damit die Knöpfe auch optisch zum Rahmen passen.
Beim Anordnen der Knöpfe auf den großen Polsterflächen hat sich gezeigt, dass mit einer regulären Abteilung von 3 x 4 Knöpfen die Sache etwas kindlich aussieht. Das mag auch an der Holzoptik liegen. Deshalb habe ich mich mal bei schwedischen Designern umgeschaut. Nix IKEA - Volvo. Tatsächlich sind die Ledersitze meines geschätzten 240er Kombis auch mit Knöpfen besetzt. Hier allerdings in einer Reihe. Das wirkt schon viel erwachsener.
Mit einer selbst hergestellten langen Nadel aus Messing und etwas Feingefühl bei der Positionierung halten sich je zwei Knöpfe hinten und vorn gegenseitig auf Spannung.
Hinten werden die Kissen bzw. Matratzen mittels dünner Gurtbänder an der Bespannung fixiert. Zur Verteilung der Zuglast sind in den Bezug hinten Hölzchen eingelegt. Soweit funktioniert das ganz gut und ist reversibel, sodass hinten / vorn und oben / unten frei getauscht werden kann. Nur falls doch mal jemand etwas an Wein oder Ähnlichem verkleckert.
Natürlich darf das Labeling nicht fehlen. So ein Dymo ist eben für Vieles gut.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden, was auf dem letzten Bild auch zu sehen ist.
Nach nun fast hundert Jahren gibt es den Barcelona Chair von Ludwig Mies van der Rohe jetzt auch als Couch. Heute wie damals: sicherlich kein Möbelstück für jede Neubauwohnung.
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